Welche Anlagechancen unser Experte in Indien sieht
Eine nachlassende Inflation und günstigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen können Indiens bereits explosiven Konsum noch weiter ankurbeln, erklärt Danske Invests Portfolioberater für Schwellenländer.
Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge ist Indien dieses Jahr erwartungsgemäß das Land unter den relativ großen Schwellenländern, das am schnellsten wächst - und möglicherweise die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft weltweit. Große Teile der Bevölkerung ziehen von der Armut auf dem Land zum Arbeiten und Leben in die Stadt, und der Binnenkonsum ist ein großer wirtschaftlicher Wachstumstreiber, der immer mehr Menschen den Aufstieg in die Mittelklasse ermöglicht.
Dieser Trend macht unter anderem Sektoren interessant, die auf den explosiven Binnenkonsum und auf den bevorstehenden Wandel ausgerichtet sind, wenn sich Millionen von Menschen ein Mobiltelefon, ein Bankkonto und eine Immobilie anschaffen.
Das meint Donald Amstad, der bei der Investmentgesellschaft Aberdeen Asset Management die Geschäfte in Asien vorantreibt. Die Fondsgesellschaft berät Danske Invest bei Anlagen in den Schwellenländern und ist unter anderem der Portfolioberater des Danske Invest Global Emerging Markets, der aktuell indische Aktien deutlich übergewichtet.
Mehr in der Tasche
"Eine der sehr großen aktuellen Veränderungen in Indien ist, dass die indische Zentralbank allmählich ein Inflationsziel festlegt. Das ist auch aus Anlegergesichtspunkten unglaublich wichtig, da dadurch die Kaufkraft sowohl bei privaten Verbrauchern als auch bei den Unternehmen steigt", erläutert Donald Amstad.
Er führt aus, dass die Zentralbank (the Reserve Bank of India) letztes Jahr die einschneidende Entscheidung getroffen hat, eine Obergrenze für die Inflation einzuführen. Indiens Inflation lag historisch gesehen auf einem hohen einstelligen Niveau, das während des Monsuns in den zweistelligen Bereich anstieg. Die Zentralbank hat sich nun zum Ziel gesetzt, bis 2018 die Inflation auf 4% zu senken (mit einer möglichen Abweichung um +/- 2%). Im Vergleich dazu haben viele westliche Regierungen ein Inflationsziel von ca. 2%.
"Das ist eine äußerst radikale Änderung der Zentralbank, die diesen Plan zusammen mit Premierminister Narendra Modi ausgeheckt hat. Indien hatte vorher kein Inflationsziel, was als eine Art indirekte Steuer für den armen Teil der Bevölkerung aufgefasst werden kann. Mit diesem Ziel und mit Unterstützung der Zentralbank kann die indische Regierung nun die "Armensteuer" senken", sagt Donald Amstad.
Eine niedrigere Inflation bedeutet im Prinzip, dass der Preis für alle möglichen Waren von Grundnahrungsmitteln bis hin zu grundlegenden Hygieneprodukten nicht so stark steigt und dadurch Teilen der Bevölkerung das Leben erleichtert wird. Dazu kommt noch die Tatsache, dass immer mehr Menschen Arbeit in den Städten finden.
Unterstützung für Unternehmen
Der andere interessante Trend aus dem Blickwinkel der Anleger ist, dass die Zinsen von Staatsanleihen sinken. Während der Zins einer 10-jährigen Staatsanleihe letztes Jahr in der Regel bei 8,25% lag, ist er aktuell schon auf ca. 7,25% gefallen.
"Das kann noch weiter auf 4-5% zurückgehen. Wenn eine solche Langzeitanlage so deutlich fällt, ist das sowohl für den Aktienmarkt als auch für die Unternehmen des Landes positiv", erläutert Donald Amstad und fügt hinzu:
"In den letzten 50 Jahren mussten die Unternehmensleitungen bei der Mittelbeschaffung zweistellige Finanzierungszinsen hinnehmen, und trotzdem haben sich viele Unternehmen gut entwickelt. Jetzt nähern sie sich in Bezug auf die Finanzierungsmöglichkeiten einigen globalen Mitbewerbern an."
Er erklärt, dass Premierminister Modi höchstwahrscheinlich mit der Entwicklung, die Indien durchlaufen hat - oder besser mit der fehlenden Entwicklung - unzufrieden ist. 1960 lag das BIP pro Kopf sowohl in Indien als auch in China bei ca. 100 Dollar. Heute beträgt das BIP pro Kopf in China ca. 7.500 Dollar und in Indien ca. 1.500 Dollar.
"Indiens wichtigste Partei, der Indische Nationalkongress, hat über die Jahre vergleichsweise schlechte Arbeit geleistet, während es Chinas kommunistische Partei trotz allem geschafft hat, Millionen von Menschen aus der Armut zu holen und in eine Art Mittelklasse aufsteigen zu lassen. In Verbindung mit mehreren Reformen versucht Modi nun, eine ähnliche Entwicklung in Gang zu bringen", meint Donald Amstad.
Konsumgüter, Banken und Baugewerbe
Bei einem kräftig steigenden Binnenkonsum gibt es eine Reihe von Sektoren, die laut Amstad besonders attraktiv sein können.
"Was den Konsum betrifft, kommt Indien von einem sehr niedrigen Niveau. Diese interessante Konsumstory und eine stark wachsende Mittelklasse sind in großen Teilen Asiens ein attraktives Thema - von Indien über China bis hin zu Myanmar, nur um ein paar Beispiele zu nennen", führt Donald Amstad aus.
Deshalb kann der Finanzsektor seines Erachtens interessant sein, insbesondere das klassische Bankgeschäft, bei dem die Menschen ein Bankkonto eröffnen und einen Immobilienkredit aufnehmen. Er weist auch auf traditionelle Konsumgüter wie Seife, Shampoo und Zahnpasta hin - grundlegende Dinge also, die sich die Menschen plötzlich leisten können, wenn sie einen Job haben. Das gleiche gilt für Produkte aus dem Bereich Gesundheitspflege.
Auch die Bau- und Werkstoffbranche ist attraktiv, da Indien allmählich seine Finanzpolitik lockert - wie einige andere Schwellenländer und Industriestaaten auch. Das bedeutet steigende Investitionen z.B. in Flughäfen und Straßen. Zu guter Letzt nennt Donald Amstad auch noch den IT-Sektor, in dem Indien traditionell gesehen bereits eine führende Rolle spielt.
Indien ist eine isolierte Wirtschaft
Die indische Wirtschaft ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern in vielerlei Hinsicht verhältnismäßig isoliert vom Rest der Welt.
"Indien ist vielleicht das Schwellenland, das am wenigsten anfällig ist für globale gesamtwirtschaftliche und politische Probleme. Der Export macht beispielsweise nur etwa 15% des indischen BIP aus, und Indien importiert nicht viel anderes als Rohstoffe. Lediglich ca. 5% des indischen Anleihemarkts ist in ausländischem Besitz, während der Anteil am Aktienmarkt etwa 20% beträgt", erklärt Donald Amstad und fügt hinzu:
"Aber es gibt immer noch Faktoren, die sowohl die Bevölkerung als auch die Entwicklung des Landes hart treffen können. Die Risiken sind unserer Ansicht nach jedoch hauptsächlich inländischer Natur im Vergleich zu den vielen globalen Problemen, die Europa, die USA oder die großen ölproduzierenden Schwellenländer beinträchtigen können."
Zum einen hat Indien eine Vergangenheit mit mehreren Attentaten auf führende Politiker und Premierminister, darunter Indira Gandhi und Mahatma Gandhi.
"Ein Attentat auf Premierminister Modi könnte das Land erschüttern. Er bringt sowohl bei der Umsetzung von Reformen als auch bei dem Versuch, das Land auf die richtige Spur zu bringen, frischen Wind ins Spiel", meint Donald Amstad.
Ein anderer Faktor, der die Entwicklung und Wirtschaft des Landes erheblich beeinträchtigen kann, ist die Bedrohung in Form des Monsuns oder anderen Wetterphänomenen. Wenn Indien von einem kräftigen Monsun heimgesucht wird, steigen unter anderem die Lebensmittelpreise stark an, worunter große Teile der Bevölkerung leiden würden - vor allem die Landbevölkerung. Da das ein wiederkehrendes Phänomen ist, hat die Regierung jedoch Pläne und Prozesse ausgearbeitet, um mit diesen Risiken umzugehen und ihre Auswirkungen abzuschwächen.